Ruderwanderfahrt Berlin
Storkower See bis Wannsee
10.06. bis 18.06.2006

Teilnehmer: Allu, Dirk, Doris (Radfahrerin), Elke, Hein (Radfahrer), Herbert, Jürgen
Karl-Heinz, Norbert (Gast, 4 Tage), Peter, Theo, Ulla

Boote: Felix und Hardenstein



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Herberts Bericht

Brandenburgische Wanderfahrt




10. Juni 06, Samstag

Am Nachmittag Ankunft beim Storkower Ruderverein. Anfahrt im üblichen verband: Kleinbus mit Bootsanhänger. Zwei Boote, Hardenstein und Felix. Als Begleitfahrzeug der bewährte Volvo-Kombi. Zehn Ruderer und zwei Radfahrer. Am Kemnader See starten: Elke, Ulla, Doris, Allu, Jürgen, Karl-Heinz, Theo, Peter und Hein. In Dortmund wird Herbert aufgelesen, in Herford Dirk. In Storkow stößt Norbert dazu, von Stade angereist.

Was diesmal anders ist: Nur ein einziges Hotel gebucht, das Haus Karlslust am Storkower See. Vorteil: Wir müssen nicht alle zwei Tage unsere Polinten zusammenklauben und im Ford-Gepäckraum stapeln. Dafür haben wir aber etliche Diesel-Kilometer hinter uns zu bringen.

Es ist Fußball-WM. Am Storkower RV haben sie unter einem Zeltdach einen Fernseher aufgeständert, gucken und trinken Bier. Wir trinken auch Bier, legen die Boote ab und dieseln ein bisschen um den See herum zum Hotel. Norbert sitzt schon im Garten am Wasser. Zimmer beziehen und erste Tischrunde. Theo kriegt seine Leibspeise für die nächsten Tage zu schmecken: Zanderfilet, gedünstet.

11. Juni, Sonntag

Norbert hat nicht gut geschlafen, die Küchenventilation neben seinem Zimmer hat ihn um den Schlummer gebrummt. (In der übernächsten Nacht wird die ihn noch einmal ärgern.) Gesamtlaune aber bestens. Wetter gut, viel zu gut.

Zu den Booten und in die Boote. Spiegelglattes Wasser, der Himmel im blausten Blau. Und Sonne, Sonne. Es wird ein heißer Tag. Die nächsten Tage werden nicht anders sein.

Erster Streckenabschnitt vom Storkower RV über den Großen Storkower See bis Wendisch Rietz. In beiden gesteuerten Zweiern wechseln die Teams. Weiter bis Bad Saarow. Landdienst hat einen seicht-sandigen Anlegeplatz bestimmt. Mit Räucherfischbude im Hintergrund für die Mittagspause.

Zurück wieder auf der weiten Fläche des Scharmützelsees über Wendisch Rietz zum Storkower RV. Am Hotel "lächelt der See und ladet zum Bade", ist aber stellenweise noch verdammt kalt.

Zweite Abendtischrunde: Norberts medizinisch-professoraler Sound belebt die Gespräche, Norbert wiederum zeigt sich sichtlich erfreut, mal wieder zu hören, wie seine Muttersprache in der Färbung Ruhrgebiet klingt.

12. Juni, Montag

Am Bootshaus des Storkower RV treffen wir auf sieben Ruderer aus Oberhausen. Die Kameraden etwa unserer Altersklasse sind mit geliehenen Booten unterwegs, einem Vierer und einem Zweier. Den Vierer rudern sie als gesteuerten Dreier. Nichts Besonderes meinen wir. So haben wir es auf der Peenefahrt vor zwei Jahren auch schon gehalten.

Aber warum sind die Oberhausener so wortkarg? Alte Muffelsäcke? Die Aufklärung folgt auf dem Fuß: Der fehlende Mann des Vierers ist an Tag zuvor im Boot zusammengebrochen - und war trotz aller Bemühungen nicht mehr ins Leben zurückzuholen. Am Mittwoch werden die Oberhausener an seinem Grab stehen.

Eine Warnung an Leute unserer Jahre. Aber sollen wir denn der Hitze ausweichen , indem wir morgens vor sechs und abends nach sechs rudern? Wir verorten den Leichtsinn anderweitig. Einer der Oberhausener greift bei jedem "Ruder halt" nach der Zigarettenschachtel und qualmt in die schöne Natur.

Erste Strecke am Montag: Storkower Kanal, Wolziger See bis Blossin. Mittagspause am lauschig im Kiefernwald gelegenen Jugendbildungszentrum. Irgendwann haben wir die Oberhausener aus den Augen verloren. Bei uns läuft alles gut. Die Schleusen machen keine Probleme.

Zweite Teilstrecke am Montag: Blossin, Langer See, Dolgensee bis Gussow an der Dahme. Dritte Teilstrecke: von Gussow die Dahme abwärts über Krüpelsee bis Neue Mühle. Boote im Schleusenbereich geparkt und per Kleinbus und Norberts Benz zurück nach Storkow. Dort erwarten uns bereits die Radtouristen Doris und Hein.

13. Juni, Dienstag:

Erste kurze Teilstrecke von Neue Mühle bis Niederlehne zu Elkes Lieblingsvetter und seiner Frau. Fahrensmann Rolf sitzt da auf einem ausgedehnten Wassergründstück und erzählt und zeigt voller Stolz, was er draus gemacht hat. In Jahren hat er alle Gerätschaften zusammen gekriegt, alle Werkstätten selbst hergerichtet. Jetzt können bei ihm Yachten aller Art und Größe überwintern und flott gemacht werden.

Weiter über den Zeuthener See zum Schmöckwitzer Kaffeekahn "Strandlust". Berlin ist an seiner Südostecke erreicht. Als die Boote nach der Mittagspause auf den Seddinsee hinausschippern, ahnt noch niemand, dass nun der knifflige Teil der Wanderfahrt beginnt.

Landdienst fährt wie immer voraus und findet mithilfe eines jungen Pärchens die enge Zufahrt zum Ruderklub Rahnsdorf. Erstes Problem: die enge Zufahrt endet vor einem verschlossenen Tor, zu dem auch das einzige auf dem Clubgelände aufzufindende Paar keinen Schlüssel hat. Den Bus rückwärts aus der winkligen Gasse wieder rauszusteuern, erfordert größte Fahrkunst und Coolness, wie sie nur Allu aufzubringen vermag. Dazu braucht es dann auch noch eines Berliners, der in Turnhose, oben frei und im Ganzen sehr breit gebaut unvermittelt aus einer Haustür tritt. Berliner zu Herbert: "Gehn se ma weg, det mach ick jezz". Und wahrhaftig, nach intensivster geduldiger Millimeterarbeit ist der Bus unverschrammt aus der Klemme.

Zweites Problem: Der Ruderclub liegt an einem idyllischen schmalen Wasserarm. Aber eben an dieser Stelle leistet die Müggelspree sich mehrere Arme. Folge: die Ruderer rudern ungesehen vorbei in den Großen Müggelsee. Und treffen mit dem Landdienst erst beim Yacht Club Berlin wieder zusammen. Dort freundliche Wassersportler und kühles Bier. Guter Platz für die Boote beim Ruderverein nebenan.

14. Juni, Mittwoch

Am Abend hallt ein Lustschrei durch Karlslust. Im WM-Vorrundenspiel hat Oliver Neuville in der Nachspielzeit das 1:0 für die Klinsmänner gemacht. Die Bäuche voller großer und kleiner Reibekuchen - eine Sonderleistung der Hotelküche - hatten wir uns mit schwarz-rot-goldener Fahne vor dem eigens aufgestellten Fernseher versammelt, um uns wie das Millionenheer der Fußballfans zu benehmen. Ein zweifach positives Ende des Tages. Zugegeben, einigen bedeuteten die Reibekuchen mehr als der deutsche Sieg.

Der Morgen hatte mit Verabschiedung Norberts begonnen. Foto, winke, winke, die Radfahrer sondern sich ebenfalls ab und die Rudercrew besteigt den Bus, Ziel Yacht Club Berlin Friedrichshagen. Von dort erste Ruderteilstrecke an Köpenick vorbei bis zur Treptower RG. So war es gut geplant. Aber: In Höhe von Schoß Köpenick tun sich zwei Möglichkeiten auf. Einer-Ruderer, der vorbei kommt, meint: links ab, um eine Insel herum und irgendwann in den Landwehrkanal. Machen wir. Aber: Die Treptower RG kommt nicht in Sicht, die Einfahrt zum Landwehrkanal nicht, die Oberbaumbrücke auch nicht.

Allu steigt an Land und kriegt Auskunft: zurück nach Schloss Köpenick und auf der Spree weiter. Im Augenblick bewegen sie Boote sich Dahme aufwärts in Richtung Schmöckwitz. Aber da waren wir schon.

Auf dem korrigierten Kurs erste Station für Besatzungswechsel bei Treptower RG. Schließlich kommt auch die Oberbaumbrücke und davor die Einfahrt in den Landwehrkanal in Sicht. Auf dem Kanal zeitweilig lausig eng, wenn nämlich die dicken Passagierschiffe breit und fett den Kanal fast ausfüllen. Zweite Wechselstation Urbanhafen. Danach die kartografisch nicht erfasste Tiergartenschleuse. Zuerst muss der Landdienst die mal finden. Wg WM stehen am Zoo Polizisten rum. Der erste: Sie können nur zu Fuß hin und brauchen etwa 45 Minuten. Der zweite Polizist: In zehn Minuten sind sie da. Der dritte Beamte: Mit dem Auto rechtsrum, dann links und dann wieder links. Letzter Rat ist der richtigste.

Landdienst und fragt Schleusenmann, ob in seinem Bereich Ruderboote übernachten könnten. Antwort: Auf keinen Fall, wenn sie die Boote morgen noch wiederfinden wollen. Der Witzbold fügt hinzu: Bin froh wenn ich morgens komme und die Schleuse ist noch da. - Hahaha, ein Berliner eben.
Irgendwo am Ufer anlegen, geht nicht, zu steil. Zurück zum Urbanhafen.? Inzwischen sind Boote vor Tiergartenschleuse eingetroffen. Müssen warten, weil die dicken Touristenschiffe Vorfahrt haben. In rechten Augenblick kommt einer mit gutem Rat: hinter der Schleuse geht rechts ein Wasserärmchen ab, in dem ein Kneipenschiff und Hausboote liegen. Hin. Fragen. Im vorletzten Hausboot endlich ein Mensch anzutreffen, welcher meint, zwischen Ufer und seinem wie seiner Nachbarin Wohnboot könnten unsere Schiffchen festmachen. Das verlangt einiges Manövrieren, aber was gehen soll. geht auch. Die Boote liegen am Ende wohl geborgen und gut versteckt. Kein Vandale wird sie finden. Und ab nach Storkow, zu Reibeplätzkes und Fußball.


15. Juni, Donnerstag

Wo Boote rein gesteuert werden können, sind sie auch wieder raus zu steuern. Noch einmal Manövrierarbeit; und es geht weiter auf dem Landwehrkanal. Der Landdienst inzwischen mit Bootsanhänger die Bismarck- und die Heerstraße hoch über die Havelbrücken zur "Ruderunion Arkona" an der Scharfen Lanke. Hier können die Landmänner ihre Seefahrer erwarten. Es dauert aber was, bis sie an Spandau vorbei sind und die Havel ein Stück runter in die Scharfe Lanke einbiegen. Aus dem Arkona-Zapfhahn gibt´s Pils und aus der Küche Kartoffelsalat mit Würstchen. Klaro dass wir bei den freundlichen Sportlern von Arkona Boote und Hänger lassen können. Die Fahrt nach Storkow (Hotel-Grillabend) hat schon die Dimension einer Extra-Reise angenommen.


16. Juni, Freitag

Heute ist fällig, was so anspruchsvoll unter der Marke "Kulturtag" abzulaufen pflegt. Besuch im Potsdamer Marmorpalais, im Neuern Garten am Heiligen See gelegen. In den Jahren als Offizierskasino der Roten Armee und als Filiale des DDR-Armee-Museums erbärmlich runtergekommen ist dieses "wichtige Zeugnis des Frühklassizismus in Preußen", das einstige "Refugium" Friedrich Wilhelms II., nach langen Restaurationsarbeiten wieder zugänglich und - wie Kenner der Baugeschichte behaupten - so schön, wie es nie gewesen ist. Ruderer und Radler haben ihre Freude am preußischen Glanz und Kunstsinn.

Durch den Neuen Garten hinüber zum Schloss Cecilienhof, in den ersten Jahren des Ersten Weltkrieges für den Kronprinzen Wilhelm erbaut. Heute tut sich in einem Schlosshof für durstige Sportler ein Biergarten auf. Und wem noch nach Historie ist, der schaut in den Saal hinein, in dem die Sieger 1945 das Deutsche Reich verhackstückt haben. Noch ein Gang durch Potsdam, im Holländerviertel Station im "Fliegenden Holländer".

Auf ein paar Autokilometer mehr soll es nicht ankommen. Deshalb abends über Storkow hinaus zum Fischessen in die Köllnitzer Fischerstuben. Unsere Radler Doris und Hein haben den bezaubernden Platz an den Groß Schauener Seen ausgemacht, wo Heinz Sielmann und seine Stiftung über ein Naturschutzgebiet wachen und einem der "seltensten Säugetiere Europas", nämlich dem Europäischen Fischotter, das Wohnrecht sichern.


17. Juni, Samstag

Letzter Rudertag, von der Scharfen Lanke vorbei an Schwanenwerder, wo einst Hitlers totaler Krieger Joseph Goebbels und der Großbaumeister des Führers Albert Speer ihre Häuschen hatten, über den Großen Wannsee zum Ruderclub am Wannsee. Mittagspause, Besatzungswechsel, zurück zu Arkona. Per Auto nach Storkow. Hotel serviert letzten Spargel.


18. Juni, Sonntag

Hänger mit Booten bei der Ruderunion abgeholt. Nach insgesamt 2300 Dieselkilometern Ankommen am Kemnader See. Immerhin haben wir auch 155 Kilometer rudernd bewältigt.


Allu. hat den Vorschlag und Wunsch, vom Standquartier Storkow aus zu rudern in Planung und Tagesprogramme umgesetzt. Und hat das gut gemacht. Wir sind nicht ganz bis ans Ziel Werder gekommen. Aber es gab nix zu mosern. Wer die nächste Fahrt organisiert, wird sich an Allu messen müssen. Danke, Allu.


Weil Norbert so lebhaft von ihm und seinen Kontakten zu ihm erzählt hat, soll er das letzte Wort haben: Günter de Bruyn. In einem Brandenburg-Buch schreibt der Schriftsteller im Kapitel Nachrichten aus Beeskow-Storkow: "Reich war man hier immer an Wäldern, Seen, Sandflächen und Sümpfen, arm an Kulturgütern, Fabriken und fruchtbaren Äckern, und da auch berühmte Persönlichkeiten nur dünn gesät waren, nimmt man vorlieb mit dem durch Heinrich von Kleist (als Michael Kohlhaas ) bekannten Terroristen Hans Kohlhase, dem Storkow zeitweilig als Schlupfwinkel diente, dem Tschech, einem Storkower Bürgermeister, der umgebracht wurde, weil er den König umbringen wollte....Als Fontane 1860 hier reiste und auf den Äckern der Sandplateaus die Halme zählen zu können meinte, bezeichnete er die Gegend als uninteressant und öde; zwanzig Jahre später jedoch, als er ihre Wälder und einsamen Seen entdeckte, nannte er sie ein romantisches Land."






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